„Abbekås bis Ystad“ – Neuland 02
- A. Albert 08.04.2021
Man nimmt sich immer selbst mit, sagte mir einmal mein Vater als ich ihn auf Missstände in seinem Leben hinwies. An diesen Satz musste ich schon öfters denken und er kam mir gerade wieder beim verlassen der Fähre in den Sinn.
Jeder von uns trägt seine eigene Lebenswelt in sich, dies führt mir diese gesellschaftliche Krise gerade sehr anschaulich vor Augen. Mal ängstlich, mutig oder tief melancholisch, depressiv, Profit orientiert, abgehärtet oder gefühllos, teils müde, abgearbeitet oder voller Tatendrang ist unsere Lebenswelt ständigen Wellen unterworfen.
Viele dieser Eigenschaften prägen uns zu dem Menschen, der wir sind. Die Zwänge und Umstände, der mehr geistig als körperlich wirkenden „Virus“-Krise, hinterlassen im Jahr 2020/2021 ihre Spuren. Gravierende Veränderung des eigenen Selbst und bei unseren Mitmenschen prägen das denken und Handeln.
Ist es nun mutig die Reise gewagt, den Weg aus dem Land, unserer Heimat gewählt zu haben, oder ist es vielmehr die Angst die zum Aufbruch gedrängt hat? Mich triebt die Hoffnung nach etwas Neuem, die Spannung etwas Neues als Kontrast zum Alltag erleben zu dürfen. Zweifel kommen jedoch trotzdem auf. Täusche ich mich vielleicht, wartet das Neue und das Abenteuer vielleicht doch Zuhause auf uns und ich habe es jetzt vor lauter Reiseplänen gar übersehen? Was passiert mit unseren gerade neu gewonnen tollen Freundschaften? Ein Aufbruch, ein Abschied fällt schwer, gerade jetzt wo man nicht weiß was nächste Woche passiert, was sich politisch wieder weiter negativ oder gar positiv entwickeln wird.
Wir leben im hier und jetzt, in der Gegenwart. Unsere Gedanken sind jedoch meistens in der Vergangenheit oder der Zukunft unterwegs. Wurden wir so von unseren Eltern, der Schule erzogen und geprägt? Oder ist es die Evolution über Jahrtausende, die unseren Verstand stets voraus preschen lässt? Der Mensch, so nehme ich an, hat wohl durch sein sesshaft werden, durch Ackerbau und Viehzucht gelernt, stets mit seinen Gedanken in der Zukunft oder Vergangenheit zu hängen um die Ernten, die Nahrungsversorgung für die eigene Familie sicherzustellen. Diese Erkenntnisse aus vielen vielen Generationen lassen mich dann doch zum Schluss kommen, das der Aufbruch, die Suche nach einem neuen und sicheren Platz nicht nur meine eignen Überlegungen sind. Nein, das Gefühl welches gerade in vielen Menschen aufkocht ist ein Gefühl der Erfahrungen und Erlebnisse unserer Vorfahren, es ist vielmehr das Unterbewusstsein, der Urinsinstinkt in uns, welcher uns in Alarmbereitschaft versetzt und zur Kursänderung treibt.
Now is Now denke ich bei mir. Die Entscheidung Deutschland hinter uns zu lassen fühlt sich gut und schlecht zugleich an, denn gerade jetzt in dieser schwierigen Zeit durften wir bei den Andersdenkenden eine neue Gemeinschaft kennenlernen. Menschen mit ähnlichen Träumen, Wünschen, Ängsten, kurz : anderen Perspektiven vom Leben.
Ein inneres Verlangen wurde wachgerüttelt, ein Instinkt der sich in vielen von uns rührt, dass wir wieder langsamer treten sollten, ein bewußtes und achtsameres Leben führen. Freude zu arbeiten, die kostbare Zeit mit unseren Kindern zu verbringen und in guter Gemeinschaft Neues und Lebendiges zu erschaffen ist unsere durch die Krise aufgewühlte Maxime. Weg von den durch das Außen auferlegten Zwängen, hin zu einem selbstbestimmten Leben, ohne Verantwortung abzugeben.
Der Wunsch nach Veränderung ist bei vielen Menschen stark. Die überaus „erfolgreiche“ Corona Gleichschaltung hat unsere Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Menschsein entfacht und lässt nun viele Menschen neue Lebenswege gehen, welche aktiv gestaltet werden möchten.
Diese Gedanken und Gefühle beschäftigen meinen Geist, während wir mit unserem Gespann 60 Kilometer von Malmö Richtung Abbekâs, fahren. Hier kennen wir von unserem letzten Besuch ein wunderschönes Fleckchen Erde, direkt am Mossbystrand an dem im Sommer immer zahlreiche Campingbusse standen.
Als wir dort ankamen war die Freude groß, wir atmeten die frische Ostseebrise ein und liefen an den großen, weitläufigen Sandstrand. Es war ein schöner Tag, sonnig und warm und so waren auch ein paar Schweden am Strand und genossen die wärmenden Sonnenstrahlen.
Mancher hart gesottene Schwede legte den Bademantel bereit um sich anschliessend blitzschnell in die kalten Frühjahrs-Fluten zu stürzen. So schnell wie sie im Wasser waren, kamen sie auch schon wieder, deutlich erfrischt, heraus und rannten zu ihren Bademänteln. Ich musste kräftig lachen und strahlte übers ganze Gesicht ob dieses Anblicks.
Ich habe ihn schlicht und einfach nicht, den Mut ins eis kaltes Wasser zu springen. Aber vielleicht kommt der Mut ja noch, ich muss nur meine Komfortzone verlassen und es wollen.
Beim Aufbruch in ein anderes, fremdes Land hat es ja bereits geklappt Mut aufzubringen und Willensstärke zu aktivieren. Wir sprangen ebenso schon des Öfteren im übertragenen Sinn ins kalte Wasser. Dann werde ich das mit dem kalten Winterbaden auch irgendwann schaffen, denke ich bei mir und schmunzle in mich hinein.
Ja, man nimmt sich immer selbst mit. Ich möchte lernen mit mir zufrieden zu sein, ich werde an meinem inneren Frieden arbeiten, ihn stärken und ihn trainieren. Die derzeitige Situation auf der Welt zeigt einem wie wichtig der innere Frieden ist.
Da kann es Draußen noch so stürmen, wenn die Wurzeln eines Baumes tief genug sind und viele andere Bäume auch zusätzlichen Halt geben.
Wir stehen zusammen mit zwei anderen schwedischen Wohnmobilen hier an diesem wunderschönen friedvollen Örtchen in Südschweden. Etwas wärmer könnte es jedoch schon sein für meinen Geschmack, denn es herrscht richtig wechselhaftes Aprilwetter.
Als wir ankamen stand bereits ein Wohnmobil neben uns, es fuhr jedoch nach wenigen Minuten ab. Ein anderes Mobil parkte ebenfalls neben uns und fuhr dann etwas weiter weg.
Ob es wohl an uns bzw. unserem Autokennzeichen liegt? Ist hier Angst im Spiel, die Deutschen bringen den todbringend Virus, die Mutationen des Corona Virus mit ins Land? Oder lag deren Umparken einfach nur daran, dass nebenan der Boden etwas schief war?
Durch die Geschehnisse nachdenklich geworden, interpretieren wir viel in Geschehnisse hinein. Wir sind, bedingt durch die Krise und viele Erlebnisse aus unser selbständigen Tätigkeit unsicher geworden. Zwischenmenschliche Beziehungen waren noch nie einfach, doch der Keil den die Politik noch weiter zwischen die Menschen treibt ist unvorstellbar tief. Freundliche offene Menschen wie wir es sind werden nun vorsichtig und zurückhaltend.
Es vergehen einige Tage hier am Mossbystrand, wir sind Autark, das Feuer lodert in unserem kleinen Kamin, den mein Mann Bernd mit sehr viel Fingerspitzengefühl und handwerklichem Geschick im Wohnwagen eingebaut hat. Strom gewinnen wir durch Solarenergie von zwei zwei mal 220 Watt Solarpaneelen. Eine Toilette befindet sich im Wohnwagen und im Ducato Camping Bus die natürlich alle 3-5 Tage geleert werden muss. Außer Frau pinkelt einmal Outdoor:-)
Als das Wasser zur Neige ging holten wir an einem nahe gelegenen Bächlein mit unserem Katadyn-Filter einige Liter frisches Wasser vom nahegelegen Bächlein und füllten dies wieder in den Frischwassertank des Wohnwagens. Dieser fasst leider nur 40 Liter, im Ducato Camping Bus sind es ca 140 Liter Fassungsvermögen im Wassertank. Es ist ratsam Ersatz Kanister zum transportieren dabei zu haben um diese befüllen zu können ohne den Wagen von A nach B ziehen zu müssen.
Was mir ebenfalls sehr störend auffällt ist der laufende Müll aus Verpackungsmaterialien, der durch Supermarkt Produkte anfällt. Das Papier können wir zwar im Ofen verbrennen doch Glasflaschen, Plastik und andere Dinge wandert in die Mülltüte. Am Strandparkplatz gibt es glücklicherweise einen Großen Müllcontainer, denn die Schweden sammeln ihren Müll Zuhause und fahren ihn dann immer zu zentralen Sammelstellen, ähnlich wie in Deutschland die Kleiderspende Boxen oder die Glasflaschen Entsorgungsbehälter. Ist natürlich auch ein kommunikatives Plätzchen:-)
So können wir hier unseren Müll gratis entsorgen, doch auch hier muss sich etwas ändern denke ich. Beim nächsten Einkauf werde ich stark darauf achten Umverpackungen im Supermarkt zu lassen. Für lange Reisen empfehlen sich „Dopser“, diese sind für Lebensmittel geeignet und schließen oben dicht ab, sodass auch keine Tierchen hineinkriechen können. Diese Behälter würden sich beispielsweise für Reis, Nudeln, getrocknete Hülsenfrüchte usw. eignen um hier auch dem leidigen Müll Thema entgegen zu wirken.
Unser Brot war aufgebraucht, auf schwedisches , leideroft gezuckertes Brot hatten wir keine Lust und so machten wir nachmittags einen Brotteig und versuchten uns im Brotbacken mit unserem Atago Ofen und dem gusseisernen Topf. In einigen Videos hatten wir schon viele Outdoor Brotbäcker bewundert. Jetzt waren wir an der Reihe es einmal auszuprobieren. Leider haben wir Aufgrund des stürmischen Aprilwetters und unserer Ungeduld den Brotteig zu schnell in den Gusseisernen Topf gelegt, so dass unser erstes Brot leider auf dem Boden viel zu viel Hitze abbekam und verbrannte. Das Infrarot Thermometer zeigte 450 Grad am Topfboden an und es roch verbrannt. Das hätten wir wirklich wissen können, denken wir uns, doch auch wir Erwachsenen lernen eben nie aus und machen unsere Erfahrungen. Nachdem wir das Verbrannte abgeschält hatten war aber auch das noch zu genießen.
Heute Morgen habe ich frische Brötchen in der Pfanne auf dem Gasherd zubereitet. Das hat ganz prima funktioniert. Mit frischer Marmelade war das ein „Träumchen“. Der Gusseiserne Topf kommt jedoch bald wieder zum Einsatz denn wir lassen uns von einer Niederlage nicht entmutigen 🙂
Mit unserem Sohn verbringen wir viel Zeit gemeinsam, spielen am Abend Spiele wie beispielsweise Siedler von Cattan, am Vormittag lernen wir, üben Rechnen, malen Bilder, schreiben Briefe an Omi, fangen an englische und schwedische Sätze zu sprechen und machen einfach das worauf wir Lust haben.
Essen zubereiten, Wäsche waschen und andere Haushaltstätigkeiten kommen hier jedoch auch nicht zu kurz. Die schmutzige Wäsche stapelt sich schon und bald müssen wir einen Campingplatz mit Waschmaschine ansteuern.
Bernd hat angefangen in seinem kleinen Tiny Studio Musik zu machen, es entstehen großartige Klänge und die Musik beruhigt die angespannten Nerven ungemein. Wir sind im Jetzt beim Musik machen, das ist fantastisch.
Die „Sela“Handpan wird gespielt, Meeresrauschen wird live aufgenommen und dann alles mit Moog Sounds zu einem Musikstück zusammengefügt.
Gestern Mittag haben wir einen langen Strandspaziergang am herrlichen Naturstrand bis zum Hafen nach Abbekås unternommen. Alle Häuser hier am Strand lassen genügend Platz zum Strand und Platz auch für Spaziernende. In regelmässigen Abständen sind herrliche gepflegte Grillplätze für die Öffentlichkeit eingerichtet mit kostenlosen Parkplätzen … was für ein Unterschied zur BRD.
Eine Fahrt ins nahegelegene Ystad haben wir gestern unternommen. In diesem schnuckeligen Städtchen, mit seinen vielen historischen Fachwerkhäusern, spielen auch Mankells „Wallander“ Kriminal Romane.
Wir wollten uns auch vor Ort ein Bild machen wie in Schweden derzeit mit den Corona Maßnahmen umgegangen wird. Wir waren erstaunt, denn in der ganzen Stadt gab es keine Schilder die zum Tragen einer Maske aufforderten. Die Schweden haben bis heute keine Pflicht zum Tragen einer Maske eingeführt. Alle „Massnahmen“ sind freiwillig. Wir sahen von geschätzten 300 Personen denen wir begegneten nur 5 mit Maske.
Die Geschäfte waren alle geöffnet. Es hängen lediglich Schilder an der Ladeneingangstür, mit der maximalen Anzahl der Menschen, die das Geschäft betreten dürfen. Beim Frisör sahen wir alle lustig schwatzend und hantierend ohne Maske. Was für eine Freude denke ich.
Die Kaffees haben geöffnet und auch hier keine Lappen. Die Menschen sitzen entspannt am Tisch und zeigen Gesicht. Auch die Bedienungen lächeln einen an.
Wir waren in einem Bekleidungsgeschäft und einem Krimskrams Laden und freuten uns riesig einfach so hinein schlendern zu können.
Im Hafen Ystads konnten wir Wasser in unseren Bus füllen und zwei freundliche Hafenmitarbeiter öffneten uns die Entsorgungsstation für unser Campingtoilette ganz kostenlos:-)
Wir fuhren nach unserem Stadt Ausflug zurück zum Mossbystrand und heizten wieder mit Holz unseren Ofen ein um entspannt eine DVD zu schauen. Es ist sehr gemütlich so zusammen gekuschelt, einfach heimelig. Draußen stürmt es, es regnet und hagelt, die Sonne kommt wieder hervor….so geht es den ganzen Tag. Typisches Aprilwetter denke ich welches ich in dieser extremen Form lange nicht mehr erlebt habe.
Im Wohnwagen ist es warm und gemütlich. Niemand hat uns während der 8Tage hier vertrieben, wie wir es aus anderen Ländern kennen. Am nächsten Morgen gibts zum ersten Mal Frühstück im warmen Bett. Es sind genau diese Momente an die wir uns erinnern wenn wir zurück blicken. Ich Liebe meine kleine Familie
Bis zum nächsten Mal. Wir freuen uns über eure Rückmeldung über Telegram oder Oldscool per Telefon 🙂 eure Anika